Damianos Soumelidis
Die Welt ist eine Scheibe, nicht wahr? In einem globalen Markt, der immer mehr von digitalen Abläufen geprägt wird, in dem politische und historische Grenzen zunehmend an Relevanz verlieren, betrachten Unternehmen jeder Größe und Branche die scheinbar äquidistanten Ballungsräume als ihre Zielmärkte. Es sind einfach fantastische Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung und die verführerisch einfach zu multiplizierende unmittelbare Präsenz in früher schier unerreichbaren Regionen bieten. Nicht nur Giganten der digitalen Ära wie Microsoft, Google oder Apple gelten als Role-Models für das „Blueprint Roll-Out Konzept“. Dieses wurde auch von traditionsreichen großen Marken wie HP, Nestlé oder Adidas angewendet und in weiterer Konsequenz erweitern auch mittelständische, bislang lokale Unternehmen die global agieren wollen oder müssen, ihre Präsenz durch den copy-paste Ansatz.
Um es gleich vorweg zu nehmen: ich mag diesen Ansatz nicht. Der Grund dafür ist nicht sentimentales Klammern an vertrauten Strukturen und Abläufen oder nachlassende Flexibilität und Misstrauen vor Neuem (schließlich bin ich schon 53), sondern meine tiefe Überzeugung, dass die zentralistisch vorgeschriebene Durchsetzung von global zu geltenden Regeln und Konzepten jede Art der individuellen und lokal gültigen Marktnuancen ausblendet und um der Skalierbarkeit und des Profits Willen bewusst ignoriert.
In der Geschäftswelt geht es immer ums Geschäft. Aber Geschäfte werden in der Regel zwischen Menschen gemacht (außer vielleicht auf den Kapitalmärkten die von Algorithmen gesteuert werden) und Menschen haben das was das Wort Individuum in sich trägt: Individualität. Ich meine, dass es kein Unternehmen weltweit gibt, das von sich behaupten würde, keine Unternehmenskultur zu haben. Oder dass die Menschen, egal ob Kunden, Mitarbeiter und Partner nicht „das wertvollste Gut“ sind, das sie haben. Kultur, auch Unternehmenskultur wird nicht von Prozessen oder Produkten geprägt, sondern von Menschen, die hunderte, manchmal tausende Jahre an Geschichte, Tradition und geografisch bedingte Prägung mit sich bringen. Wir können in dieser immer flacheren Welt Individualität und Lokalität in einer globalen Unternehmenskultur nicht ignorieren, geschweige denn bewusst unterbinden.
Wachstum und Expansion bedeutet, sich in Märkte zu bewegen, in denen Menschen nicht nur möglicherweise, sondern ganz sicher anders sind und anders denken. Humor, Risikobereitschaft, Innovationskraft, Traditionsbewusstsein, Vertrauen, Offenheit, Verschlossenheit, Kommunikation, Umweltbewusstsein, Wirtschaftsdenken, Sozialbewusstsein, Profitdenken, Sprache, Aussehen – es gibt unzählige Faktoren, die das Verkaufen, Produzieren, Integrieren, Kaufen, Werben, Kommunizieren, Beschäftigen so individuell und anders gestalten als – eben anderswo. Daher muss die Berücksichtigung von Individualität und lokalen Prägungen einen prominenten Platz in der Kultur eines global tätigen Unternehmens haben.
Auf dem Weg des Wachstums in neue Märkte stoßen immer wieder neue Menschengruppen zu den sich ausdehnenden Unternehmen, sei es durch Akquisitionen oder reguläre Anstellungen. Diese Menschen müssen sich in den neuen Strukturen zurechtfinden und nicht selten werden diese Strukturen abgelehnt, weil sie unpassend, fremd oder einfach „anders“ sind. Diese reflexartige Ablehnung von zentralen Vorgaben und der fehlende Integrationswille in globale Strukturen ist nicht minder ignorant und verhindert das, was ein globales Unternehmen so erfolgreich macht: Eine gesunde Durchmischung von Sichtweisen, Meinungen und Eigenheiten, gepaart mit den effizienten, skalierenden Strukturen und Prozessen und der optimalen Nutzung von spezifischen Vorteilen jeder Region oder Unternehmenseinheit.
Nagarro wächst in rasantem Tempo und etabliert sich und seine Services selbstbewusst in den verschiedensten Geographien dieser flachen Welt. Es ist nachvollziehbar, dass man bei hoher Geschwindigkeit und konstantem Erfolg Gefahr läuft, die leisen Töne nicht wahrzunehmen und Themen wie Schaffen von Vertrauen, Verständnis für lokale menschliche Bedürfnisse an den Rand gedrängt werden. Auf den zweiten Blick ist das unverständlich denn nachhaltiger Erfolg kann nur durch Berücksichtigung von lokalen, individuellen Bedürfnissen und Weltanschauungen erzielt werden. Bei genauer Betrachtung ist neben Qualität und Expertise eine der tragenden Säulen unseres Erfolgs die Ausrichtung unserer Vertriebs- und Delivery Strukturen auf die lokalen Markt- und Kundenumgebungen bei gleichzeitiger Erhaltung dessen was Nagarro immer ausgemacht hat: freies Denken und Handeln.
Es ist unser aller Verantwortung, aber insbesondere die Verantwortung des Managements, bei der Schaffung unserer auf Globalität ausgerichteten Unternehmenskultur die Menschen der unterschiedlichen Regionen, in denen wir uns bewegen, zu berücksichtigen. Es ist aber auch unser aller Verantwortung zu begreifen, dass ausgeprägtes lokales Denken, bei gleichzeitiger Vernachlässigung oder Ignoranz oder bewusster Ablehnung globaler Sichtweisen, Strukturen, Prozesse und Richtlinien, keinen Bestand in dieser Welt haben können.
Politische Grenzen sind tatsächlich irrelevant. Die individuelle Art, wie Menschen miteinander umgehen und miteinander agieren, wird und soll noch für lange Zeit unsere Unternehmenskultur prägen und beeinflussen.
Global, Unternehmenskultur, Diversität
Damianos Soumelidis
Global, Unternehmenskultur, Diversität